Waterford – das radikale Whiskey-Terroir
Dieser Artikel ist ebenfalls im Rostocker 0381-Magazin erschienen.
Die Flaschen und die Ausstattung der Whiskeys von Waterford sehen auf den ersten Blick recht eigenwillig aus. Dabei erinnert die Konfektionierung mit der blauen Riffelflasche und dem Glastopfen erstmal an einen nicht alltäglichen Premiumwodka und man muss sich erstmal daran gewöhnen, dass man Whisky in so extravagante Flaschen füllt. Man fragt sich dann: „Ist das normal?“ Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass bei diesem Projekt von Mark Reynier Vieles extravagant und nicht normal ist.
Dabei ist Mark Reynier in der Whiskybranche kein Unbekannter, so war er bis zum Verkauf von Bruichladdich im Jahre 2012 Mitinhaber und Geschäftsführer der Traditionsbrennerei auf Islay. Nach der Übernahme durch Remy Cointreau hieß es für ihn Abschied nehmen, um sich neuen Projekten zuzuwenden. Mit der Gründung von Renegade Spirits Ireland Limited wurden die Weichen gestellt und der Blick richtete sich auf die Republik Irland.
Hier auf der Grünen Insel geht zum Thema Whiskey gerade richtig die Post ab und man hat das Gefühl, dass hier die letzten verschlafenen Jahrzehnte in Rekordzeit aufgeholt werden sollen. Hier, wo es Anfang der 90er Jahre nur drei Produktionsstandorte für die Gattung des Irish Whiskey gab, geht es nun richtig rund und die Whiskeybrennereien schießen wie Pilze aus dem Boden. Es gibt kleine Projekte von Enthusiasten, Investments von großen weltweit agierenden Spirituosenunternehmen und Gesellschaften. Im Moment scheint hier alles möglich und die Whisk(e)y-Liebhaber auf der ganzen Welt freuen sich über diese Whiskeyrevolution und der Markt saugt jeden Tropfen aus Irland gierig auf.
Für das Projekt von Renegade Spirits wurden weitere ehemalige Geldgeber von Bruichladdich gewonnen und 2014 konnte die Waterford Distillery in der Mary Street von Waterford gegründet werden. Dabei konnte man auf eine Brauereianlage von DIAGIO zurückgreifen. Diese Gesellschaft hatte in der kleinen Hafenstadt an der Südostküste 2004 eine moderne Brauerei errichtet, um hier Guinness zu brauen. 2013 entschied die Konzernleitung, die Brauaktivitäten in Dublin zu bündeln und der Betrieb in Waterford wurde eingestellt. Das war natürlich ein Glücksfall für Mark Reynier, denn die modernen Anlagen in dem architektonisch eigenwilligen Brauereistandort konnten auch für die Whiskyproduktion genutzt werden und boten darüberhinaus die Möglichkeit, mit speziellen Anlagen wie einer Hydromühle zu experimentieren. Es mussten eigentlich nur noch Brennblasen eingebaut werden. Die beiden kupfernen Pott Stills stammen dann auch von den Nachbarn aus Schottland, hier versahen sie früher bei Inverleven in Dumbarton ihren Dienst. Danach wurden sie nach Islay an die Bruichladdich Distillery verkauft. Eine wurde eingelagert und die zweite wurde im Vorgarten zum Wahrzeichen der Brennerei. Nun kommen sie nach einer Instandsetzung bei Forsyths wieder zu neuen Ehren.
Die Brennerei hat aktuell eine maximale theoretische Kapazität von ein bis drei Millionen Litern im Jahr. Es besteht somit die Option, weitere Brennblasen anzuschaffen. Für Mark Reynier, Gründer und Geschäftsführer der Waterford Distillery, steht das Korn in einem besonderen Fokus. 100 Prozent irische Gerste aus einem der besten Anbaugebiete der Welt sind die Grundlage für seine Whiskeys. Diese stammt von über 40 regionalen Farmern.
Ähnlich wie beim guten Wein wird die Gerste einer jeden Farm separat in Silos gelagert und auch so für sich verarbeitet und in der Brennerei an den Ufern des Flusses Suir destilliert. Bei einer Produktion von fast 130 Fässern in der Woche kann bei jedem Fass eine Rückverfolgung bis zum Feld, auf dem die Gerste angebaut wird, erfolgen. Diese Philosophie entspricht dem radikalsten Terroir-Gedanken den wir vom Wein kennen und so ist jede Abfüllung ein „Single Farm Origins“.
Mark erklärt dazu: „Seit Jahren hat man den Leuten die unterschiedlichsten Erklärungen für die angeblich wahre Qualität von Whisky vorgelegt – von Brennblasen über Wasser bis zu Holz. Wir wollen zeigen, was Malt Whisky wirklich zum komplexesten Spirit der Welt macht, was die eigentliche Quelle seines außergewöhnlichen Geschmacks ist: Gerste.“
Dabei produziert die Waterford Distillery nur ungetorfte Malt-Whiskyes. Das Ziel ist die radikale Umsetzung der Philosophie des Terroirs. Wie und wo Gerste wächst, bestimmt das Aroma von Whisky. Denn auf jedem Feld wächst sie anders: Bodenzusammensetzung, Sonneneinstrahlung, Lage und vieles mehr führen bei jeder Ernte zu einem anderen Geschmacksprofil. Diesen konsequent authentischen Geschmack irischen Single Malts soll der Whiskey von Waterford einfangen.
Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse bringt das Team um Mark Reynier nun in limitierten Auflagen seit Sommer 2020 auf den Markt.
Die beiden ersten Abfüllungen der Waterford-Reihe „Single Farm Origin“ entfalten die Gerstenaromen einzelner Farmen und Ernten aus ausgewählten Orten Irlands. Einer davon: die äußerste Südküste der Grafschaft Wexford. Ed Harpur baut hier Gerste an, deren Terroir geprägt ist von salzhaltigen Atlantikwinden und sandigen Böden. Sie ist die Destillationsbasis für die „Bannow Island: Edition 1.1“. Die fruchtbaren Felder von David Walsh-Kemmis hingegen werden durch ein uraltes Waldgebiet geschützt. Sein Korn aus dem Kerngebiet irischer Gerste destillierte Waterford zu „Ballykilcavan: Edition 1.1“. Die komplexen Spirits sind mit 50% vol. stark, sowie in natürlicher Form ohne Farbstoffe, Kühlfiltration oder Zusatzstoffe abgefüllt.
Gefolgt wurden diese Abfüllungen von Waterford Single Farm Origin Lake Field 1.1., Waterford Single Farm Origin Hook Head 1.1., Waterford The Arcadian Organic Gaia 1.1, Waterford Single Farm Origin Sheestown 1.2 und als exklusive Abfüllung für Deutschland Waterford Single Farm Origin Tinnashrule 1.1 (GERMANY EXCLUSIVE).
Nun gibt Waterford für 2021 den Whiskyfreunden in einzelnen Ländern die Möglichkeit, ihr „eigenes“ Terroir von Warterford zu entdecken und die Entwicklung über Jahre weiter zu verfolgen. Fünf Single Farm Origins wurden in Europa Ländern exklusiv zugeteilt: Grattansbrook: Edition 1.1 (UK only), Lacken Edition 1.1 (France only), Mortarstown Edition 1.1 (Belgium only) und Wilkinstown Edition 1.1 (Netherlands only).
Für Deutschland reserviert ist Tinnashrule Edition 1.1. Die Herkunft der Gerste für diesen Terroir-Whiskey liegt im Regenschatten der Blackstairs Mountains, nördlich von Enniscorthy (Insel der Felsen). Die Stadt mit etwas mehr als 11.000 Einwohnern liegt im County Waxford im Südosten der irischen Republik. Hier in den Hügeln im Windschatten von Eschen- und Lärchenwäldern liegen die Gerstenfelder von John Crowleys Farm. Ein Vorteil sind die gut durchlässigen Lehm- und Tonlehmböden auf einer Unterlage von eiszeitlichem Schiefer und Granit.
Durch den radikal umgesetzten Terroir-Gedanken mit separaten Anbau, Ernte, Lagerung und Destillation wird ein besonderer Single Malt Whiskey geschaffen. In der Nase zeigt er sich frisch mit zarten Honignoten, Anklängen von Orangenschalen und Blüten. Begleitet werden diese Eindrücke durch eine gehauchte Anspielung krautiger Noten von Minze und Tee, denen dann ein Eindruck von Bitterschokolade mit Orange folgt. Am Gaumen findet sich die fruchtige Schokolade wieder und wird hier begleitet von einer kräftigen Gewürznote von Pfeffer, Piment und Nelke, die verfolgt wird von Spritzkuchenaromen mit Orangenmarmelade. In der Summe ein leichter Whisky mit Spannung und Vielfalt, der als frischer und leichter Begleiter in der warmen Jahreszeit überzeugen kann.
Frank Schollenberger